Upton Park, London
34'000 Zuschauer
England, das Land von Harry Potter, Oliver Twist oder der Queen. Und natürlich Mutterland des Fussballs! Einmal mehr flog man für paar wenige Euros für ein Wochenende zu den Briten. Ryanair sei Dank. Das Rätsel wie und warum man als Airline mit solchen Spottpreisen überleben kann wird wohl nie gelöst werden. Den Konsumenten soll es egal sein.
Nach der Landung nahmen wir ein kurzes Mittagessen ein und dann gings ab in den Coach, der uns nach London Statford bringen sollte. Statford? Da klingelt doch was. Genau, die Olympischen Sommerspiele 2012 sind grösstenteils im Stadtteil Stadtford stationiert. Bereits heute schon wird fleissig gebaut und schon jetzt ist zu sehen, das hier durchaus imposante Stadien entstehen werden. Unser Hotel für eine Nacht lag direkt neben Bus- und U-Bahnstation sowie dem riesigen örtlichen Kaufhaus. Nach dem Check-In im Hotel ging es sofort mit der U-Bahn in Richtung Upton Park, wo es heute Nachmittag zum Schlager West Ham – Manchester Utd kommen sollte.
Der Londoner Arbeiterverein gurkt im hinteren Tabellenbereich herum und benötigt jeden Punkt im Abstiegskampf. Manchester findet man wie gewohnt auf den vorderen Plätzen. Mit einem Sieg würde man weiter an Leader Chelsea dranbleiben. Das Spiel begann dann auch abwechslungsreich und so gehörten die ersten paar Chancen den Hausherren. ManU wurde aber immer stärker und so war der herrliche Führungstreffen von Paul Scholes kurz vor der Pause nicht unverdient. Nach der Pause erhöhte Manchester noch einmal das Tempo und nach einer gespielten Stunde erzielten sie das 0:2. Nun ging bei West Ham gar nichts mehr und in der Schlussphase kassierten sie einen Doppelschlag innert 60 Sekunden und das Spiel war endgültig entschieden. Gegen das technisch überlegene Manchester war heute nichts auszurichten und so verloren die Hammers verdient mit 0:4. Der Schweizer Valon Behrami kam bei West Ham übrigens nicht zum Einsatz.
Stimmungsmässig gibt es nur eins zu sagen: Von A bis Z der reinste Scheiss! Obwohl vor dem Anpfiff bei der Vereinshymne gar Gänsehautstimmung aufkam, verblassten die Gesänge bei Spielbeginn bereits wieder. Da bestünde enormes Potential. Auch die ca. 3'000 mitgereisten ManU-Fans sorgten nicht für Stimmung und daher waren vereinzelte Anfeuerungsrufe aus verschiedensten Teilen des Stadions das Höchste der Gefühle. Es ist ja nicht so, dass ich tolle Stimmung erwartet hätte aber dennoch hoffe ich immer wieder, dass sich die Briten einmal zusammenraffen und sich gegen die polizeilichen Repressionen zu wehren versuchen. Was man sich in England in einem Fussballstadion alles gefallen lassen muss, kann einen Fussballfan einfach nur traurig stimmen.
Es beginnt bei den Ticketpreisen. Unter 30£ geht gar nichts, wir haben für unsere, zugegeben grandiosen Plätzen, gar 50£ bezahlt, umgerechnet 90 CHF. Gerade im Arbeiterviertel Statford kann sich kaum jemand solche Tickets leisten. Nur schon die Tatsache, das der Fussball nicht mehr für alle Gesellschaftsschichten finanziell tragbar ist, ist äusserst bedenklich. Im Stadion selber sind dann überall Flugblätter angebracht, auf denen nach potentiellen „Hooligans“ gesucht wird. Erkennt man einen der Abgebildeten, so solle man sich doch beim Verein melden. Wie Schwerverbrecher werden die (noch) Unschuldigen in aller Öffentlichkeit zur Schau gestellt, wobei man vermutlich für zu lautes Singen oder gefährliches Aussehen Stadionverbot erhalten wird.
Die Hausordnung in einem englischen Stadion ist dann an Lächerlichkeiten kaum mehr zu überbieten. Das strikte Alkohol- und Rauchverbot ist noch das vertretbarste, was allein schon die Absurdidät dieser Richtlinien aufzeigt.
Daneben gilt absoluter Sitzzwang, Fahne und Banner sind nicht erlaubt und das Tragen von Fan-Untensilien wie Schals oder Trikots ist den Gästeanhängern untersagt. Wer gegnerische Fans, Spieler oder Schiedsrichter verbal angeht, fliegt raus. Nicht möglich? Oh doch, denn per SMS kann ein Sitznachbar den jeweiligen „Sünder“ an den Pranger stellen, welcher sofort von Sicherheitsleuten ausgefischt wird. Während dem heutigen Spiel wurden ganze Vier Personen abgeführt, wobei eine Verhaftung lächerlicher war als die andere. Die unverständlichste spielte sich vor unsren Augen ab. Beim Führungstreffer für Manchster jubelte ein Fan, anschliessend wurde er von West Ham Anhängern angepöbelt. Die Polizei kam angeschritten und führte den ManU – Fan ab. Dasselbe Spiel beim 2:0 als ein Manchester Anhängern im Freudensturm seinen Platz verliess und ebenfalls von 5 Sicherheitskräften (!) verhaftet wurde.
Für mich sind solche Aktionen einfach nur unverständlich. Ich glaube die Welt ist kalt genug, ohne das einem das Freuen, glücklich sein und Ausleben von Emotionen, welche den Fussball doch ausmachen, verwehrt werden. Und noch viel bedenklicher ist, das die „Alle für Einen – Einen für Alle“ Mentalität in England erloschen zu sein scheint. Anders ist es nicht zu erklären, dass die Polizei ungehindert in einen Fanblock eindringen und seelenruhig Leute ungerechtfertigt abführen kann. In der Schweiz und überall sonst in Europa währe so etwas undenkbar. Eines hat man mit dem repressiven Vorgehen erreicht, zu grösseren Ausschreitungen kam es am heutigen Tage nicht. Doch für welchen Preis? Man hat den Nationalsport Nummer 1 selbst begraben – Der Fussball in England ist tot!
Immerhin verzichtet man in Britannien auf billigen Populismus. Die Kommerzialisierung hat noch nicht vollständig Einzug erhalten und so wird man wenigstens nicht von Werbung erdrückt und das Fussballspiel wird nicht als Event angepriesen. Aber das ist nur ein kleiner Lichtblick im dunklen Tunnel.
Das Stadion Upton Park verfügt über ca. 35'000 Sitzplätze und ist somit das viertgrösste in London (Hinter Chelsea, Arsenal, Nationalmannschaft). Die Sitzschalen sind in der Vereinsfarbe Bordeaux gehalten. Die Fansektoren, wenn man sie so nennen will sind hinter den beiden Toren angebract. Der Upton Park ist ein schlichtes, typisch britisches und altes Fussballstadion, welches definitiv seinen Charme hat.
Nach dem Spiel verweilte man noch in einem Pub, ehe man wegen Verschlafens mit Ach und Krach am Sonntag morgen früh noch den Flieger zurück nach Friedrichshafen erreichte.